Das Fach Bayerische Kirchengeschichte

Die Anfänge des Christentums reichen innerhalb der Grenzen des heutigen Freistaates Bayern in die Römerzeit zurück. Dies beweisen u.a. der Grabstein der Sarmannina in Regensburg, die Verehrung der Märtyrerin Afra in Augsburg und die höchst bedeutende Lebensbeschreibung des 482 gestorbenen heiligen Severin durch Eugippius. Die Geschichte der katholischen Kirche Bayerns im engeren Sinn beginnt mit der Stammesbildung der Baiuwaren spätestens Anfang des 6. Jahrhunderts. Eine frühe Verbindung des katholischen bayerischen Herzogshauses der Agilolfinger mit den Päpsten ist bezeugt durch Theudelinde, Tochter des Bayernherzogs Garibald, die den Langobardenkönig Authari heiratete. Wegen ihres katholischen Glaubenseifers im arianischen Langobardenreich bedachte sie Papst Gregor I. der Große (590-604) mit wertvollen Geschenken, die bis heute im Domschatz zu Monza aufbewahrt werden.

Um das Jahr 700 war die durch iroschottisch-irofränkische Mission gestützte Christianisierung des Stammesherzogtums Bayern im wesentlichen bereits abgeschlossen. Das Land erstreckte sich in jener Zeit vom Lech bis zur Enns in Österreich, von der heutigen mittleren Oberpfalz bis zum südlichen Ausgang der Alpen. Mehrmals versuchten die Agilolfingerherzöge, westfränkische Bischöfe an den herzoglichen Residenzen festzuhalten: Emmeram und Erhard in Regensburg, der alten Hauptstadt, Rupert in Salzburg, Vivilo in Passau und Korbinian in Freising. Unter der Regierung der letzten beiden Herzöge aus diesem hochbegabten Geschlecht - Odilo und Tassilo III. - brachte das 8. Jahrhundert einen ersten glanzvollen Höhepunkt der bayerischen Geschichte, eine erste große Welle von Klostergründungen: Niederaltaich, Scharnitz-Schlehdorf, Wessobrunn, Polling, Weltenburg, Schäftlarn, Au und Gars am Inn, Moosburg, Tegernsee, Niedernburg bei Passau, Kremsmünster, Innichen im Pustertal, Mondsee im Salzkammergut, Herren- und Frauenchiemsee, Pfaffmünster bei Straubing, Chammünster im Böhmerwald, Münchsmünster, Berg im Donaugau, Benediktbeuern, Kochel, Schliersee, Metten, Ilmmünster, Altomünster, Neuburg im Staffelsee. Dazu kommen noch die bedeutenden Domklöster zu Freising und Salzburg und St. Emmeram in Regensburg.

Die Organisation der bayerischen Kirche, die Einteilung des Landes in die kanonisch umschriebenen Bistümer Passau, Salzburg, Freising und Regensburg, erfolgte im päpstlichen Auftrag erst durch den Angelsachsen Winfrid Bonifatius. Das Schreiben Papst Gregors III. vom 29. Oktober 739 bestätigte die bonifatianische Kirchenorganisation. Nur wenige Jahre später entstanden Bischofssitze in Eichstätt (seit 741; erster Bischof war Willibald, unterstützt von seinen Geschwistern Wynnebald und Walburga) und Würzburg (742; Patron ist der um 689 als Märtyrer gestorbene irische Wanderbischof Kilian, mit Kolonat und Totnan Frankenapostel). Für Augsburg, die alte römische Provinzhauptstadt der Raetia II (Augusta Vindelicorum), darf ein Bischofssitz wohl schon im 4. Jahrhundert vermutet werden. Ob er auch nach der Mitte des 5. Jahrhunderts erfolgten alamannischen Besitznahme fortbestand, muß offen bleiben. Für das baiuwarische Siedlungsgebiet östlich des Lechs bestand im 8. Jahrhundert auch ein Bistum Neuburg (vielleicht Neuburg an der Donau, sehr wahrscheinlich aber nicht Neuburg im Staffelsee). Die kanonische Organisation der bayerischen Kirchenprovinz kam zum Abschluß, als Papst Leo III. 798 auf Veranlassung Karls des Großen den Salzburger Bischof Arn zum Erzbischof erhob. Die Tatsache, daß Salzburg, und nicht die alte Hauptstadt Regensburg, zum Sitz des Metropoliten bestimmt wurde, erklärt sich vor allem aus der fränkischen Politik, nach der Ausschaltung der Agilolfinger (788) bayerisches Unabhängigkeitsstreben zu unterbinden.

Innerhalb der heutigen Grenzen des Freistaates wurde von Kaiser Heinrich II. dem Heiligen im Jahr 1007 das Bistum Bamberg gegründet, auf Initiative Erzbischof Eberhards II. 1215/16 das sogenannte Salzburger Eigenbistum Chiemsee errichtet. Augsburg, Eichstätt, Würzburg und Bamberg gehörten zur Kirchenprovinz Mainz, Regensburg, Freising, Passau und Chiemsee zu bayerischen Kirchenprovinz Salzburg. Diese Ordnung blieb im wesentlichen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts bestehen, vielfach ist sie bis heute noch grundlegend. Das Bayerische Konkordat von 1817, vollzogen 1821 und später in das Bayerische Konkordat von 1924 aufgenommen, regelte die kirchliche Neuordnung in Bayern mit den bis heute bestehenden zwei Kirchenprovinzen München und Freising (mit den Suffraganbistümern Augsburg, Regensburg, Passau) und Bamberg (mit den Suffraganbistümern Eichstätt, Würzburg und Speyer).

Bis zum Tod Karl Theodors im Jahr 1799 blieb die "geistliche Verfassung" des Kurfürstentums im weltlichen und kirchlichen Bereich erhalten, trotz der vielen, bereits tief einschneidenden Verordnungen der Kurfürsten des späten 18. Jahrhunderts. Aufgeklärte Reformen der geistlichen und weltlichen Obrigkeit hatten bis dahin wenig Beachtung gefunden, etwa verordnete Einschränkungen der Kirchenfeste und herkömmlichen Feiertage, der Umgänge und Wallfahrten, der üppig blühenden Andachtsformen - das Land behielt sein "geistliches Gesicht". Sprachgewaltige Prediger der Barockzeit sprechen oft von der "Bavaria Sancta", vom "Heiligen Bayernland", mit seinen Kirchen, Klöstern, Kapellen, Bruderhäusern und Spitälern, den Wallfahrten und Heiligen, allen voran der "Patrona Bavariae", der Gottesmutter Maria, von den vielen Mirakeln und der Frömmigkeit aller Stände. Dieses "heilige Bayern" umschloß die mit größter Selbstverständlichkeit geübten, alle Lebensbereiche prägenden religiösen Lebens- und Andachtsformen. Erst die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert geriet für die abendländische Welt, auch für das Kurfürstentum Bayern, zu einer Phase grundstürzender äußerer und innerer Erschütterungen. Die als gottgesetzt betrachtete alte Ordnung zerbrach, es brach an ein neues Zeitalter, das sich im Zeitalter der Aufklärung freilich längst angekündigt hatte.

Am Beginn des 19. Jahrhunderts, an einer Epochen- und Zeitenwende, stand die katholische Kirche in Bayern - wie in ganz Deutschland - vor einem gewaltigen Trümmerhaufen. Das Säkularisationsgedenkjahr 2003 hat die zäsurale Dimension dieses historischen Ereignisses, der gewaltigen Zertrümmerung, welche die große Säkularisation von 1802/03 für die tausendjährige Reichskirche, ihre Kirchen- und Kulturlandschaft bedeutete, durch eine Reihe von Veranstaltungen und Publikationen erneut gewürdigt. In der Tat führte der Reichsdeputations-Hauptschluß vom 25. Februar 1803, formell eine reichsgesetzliche Ausführungsbestimmung des Friedensdiktats von Lunéville 1801, die bis dahin größte territoriale Umwälzung in Deutschland herbei, den gewaltsamen Untergang des alten kirchlichen Systems in der Mediatisierung der geistlichen Reichsstände mit ihren Territorien und der allgemeinen Aufhebung der landsässigen Stifte und Klöster. Der Zusammenbruch der Reichskirche, dem 1806 das förmliche Ende des Heiligen Römischen Reiches folgte, als der Habsburger Franz II. in Wien die Kaiserwürde niederlegte, verursachte innerkirchlich nicht nur einen ungeheuren Schock und schwerste Verluste, er bedeutete auch für die Entwicklung der äußeren und inneren Verhältnisse der katholischen Kirche in mehrfacher Hinsicht einen tiefen Ein­schnitt. Dennoch fehlte es nicht an eindrucksvollen Gestalten und Gestaltern, die gegen alle Hoffnung ihren Glauben in der stürmisch aufgebrochenen, im Kurfürstentum Bayern durch den Umbruch des Jahres 1799 unmittelbar eingeleiteten neuen Zeit lebten und verkündeten und so allmählich ein neues Fundament für das schwer erschütterte Kirchenwesen legten. Zu ihnen gehörten auch Angehörige der Theologischen Fakultät (Sektion) der Universität Landshut (die bayerische Landesuniversität wurde 1472 in Ingolstadt gegründet, 1800 nach Landshut, 1826 nach München verlegt). Unter ihnen ist allen voran der Moral- und Pastoraltheologe und Pädagoge Johann Michael Sailer (1751-1832) zu nennen, seit der Neuorganisation der katholischen Kirche Bayerns (1817/21) im Bistum Regensburg Domkapitular, Weihbischof und Generalvikar, die letzten Lebensjahre, von 1829 bis 1832, Bischof von Regensburg, zugleich kirchenpolitischer Berater König Ludwigs I. von Bayern.

Im neuen bayerischen Staat, den wesentlich Minister Montgelas baute, kamen zu den drei altbayerischen Provinzen jetzt die neuen Gebiete in Franken, Schwaben und die linksrheinische Pfalz. Die territorialen Veränderungen verschoben überall in Deutschland die konfessionellen Grenzen aus der Zeit der Glaubenskämpfe. Parität der Bekenntnisse, nicht nur Toleranz, wurde zur staatspolitischen Notwendigkeit, auch im 1806 errichteten Königreich Bayern. Etwa ein Drittel der Bevölkerung gehörte fortan der evangelisch-lutherischen Kirche an.

Die Kultur und alle Lebensbereiche waren in der Geschichte Bayerns über 1000 Jahre hinweg religiös geprägt. Dies zu erforschen und für die Gegenwart lebendig zu machen, dann die Frage kirchlicher, christlicher Kontinuität in den Umbrüchen des 19. und 20. Jahrhunderts zu erörtern und darzustellen, ist Aufgabe des 1962 errichteten Lehrstuhls (seit 1996 Professur) für Bayerische Kirchengeschichte, die u.a. auch Prüfungsfach der Lehramtsstudiengänge der Katholischen Religionslehre und des Magisterstudiengangs ist. Die bisherigen Lehrstuhlinhaber waren die Professoren Georg Schwaiger (1962-1971), Benno Hubensteiner (1973-1985) und Manfred Weitlauff (1986-1993). Seit 1996 ist Manfred Heim Inhaber der Professur.