Materialität des Kirchenrechts
Die Bedeutung der materiellen Überlieferungsträger
Die Bedeutung der materiellen Überlieferungsträger
Grundlage für die Auseinandersetzung mit der kirchlichen Rechtsgeschichte ist die Auswertung der kanonistischen Quellentexte. Dies schließt vor allem bei mittelalterlichen Texten die Arbeit mit handschriftlichen Überlieferungsträgern ein. Diese müssen in ihrer materiellen Beschaffenheit beschrieben (Kodikologie), hinsichtlich ihres Schriftcharakters analysiert (Paläographie) und schließlich auf Grundlage ihrer Lesarten in die Gesamtheit der Überlieferungsgeschichte eingeordnet werden (Textkritik). In einem mehrstufigen Prozess entstehen so kritische Editionen wichtiger Quellentexte, die der Fachwelt zur Beförderung der weiteren Forschung zugänglich gemacht werden.
Handschrift München, BSB, Clm 17161, fol. 92v (Ausschnitt), geschrieben in der zweiten Hälfte des 12. Jhdts. in der Benediktinerabtei Schäftlarn bei München. Sie enthält eine Kopie des Decretum Gratiani mit beeindruckenden bildlichen Darstellungen der im zweiten Teil des Dekrets verhandelten Rechtsfälle.
Der Ausschnitt zeigt in der rechten Spalte den Anfang von Causa XV; verhandelt wird der Fall eines Klerikers, der vor seiner Ordination ein Verhältnis mit einer Frau hatte, als Priester im Zustand des Wahns einen Mord beging und nun von seiner ehemaligen Geliebten vor dem Bischof angeklagt wird. Die Initiale Q zeigt in der Mitte den angeklagten Kleriker sowie dessen Mordtat, links die anklagende Geliebte, rechts den urteilenden Bischof.
Kritische Edition der entsprechenden Textstelle in der Ausgabe des Decretum Gratiani von Emil Friedberg (Leipzig 1879, Sp. 743/744).
Zu den im Zusammenhang mit der Causa erörterten Fragen gehört die Schuldfähigkeit des Klerikers (Qu. I.), die Zulässigkeit der von der Frau vorgebrachten Anklage (Qu. III.) sowie die Anwendung von Folter zur Erlangung eines Geständnisses (Qu. VI.).
Auszug aus dem Dizionario di abbreviature latine ed italiane von Adriano Cappelli (Mailand 31929, S. 194; Abbildung: Leipzig 21928), Standardnachschlagewerk zu den in mittelalterlichen Handschriften verwendeten Abkürzungen.
Die Seite zeigt eine Reihe von Abkürzungen zum Wortfeld ius.