Workshop "Quellen des Kirchenrechts in Ost und West: Gemeinsame Ursprünge und separate Entwicklungen"

Im Rahmen des zusammen mit der Ausbildungsrichtung für Orthodoxe Theologie veranstalteten Blockseminares fand am Freitag, den 10. November 2023, ein Workshop zum Thema „Quellen des Kirchenrechts in Ost und West: Gemeinsame Ursprünge und separate Entwicklungen“ statt.

Nach einer kurzen Begrüßung führte Prof. Dr. Dr. Berkmann, der gemeinsam mit Herrn Dr. Dr. Anargyros Anapliotis den Workshop ausrichtete, in die Thematik des Nachmittages ein: Jede Kirche hat eine eigene Rechtsordnung entwickelt, die auf unterschiedlichen Rechtsquellen fußt. Ziel des Workshops war es, die Rechtstraditionen verschiedener Kirchen der abendländischen und orientalischen Überlieferungsstränge abseits der großen orthodoxen und römisch-katholischen Kirchen vorzustellen. Dazu sprachen Dr. Joseph Faragalla (koptisch-orthodox), Dr. Mykola Marksteiner-Mishchenko (ukrainisch griechisch-katholisch) und Prof. Dr. Arno Schilberg (evangelisch-reformiert).

So konnten die ca. 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zunächst dem Vortrag von Dr. Faragalla, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für den Nahen und Mittleren Osten der LMU München, lauschen, der zum Thema Quellen des koptischen Kirchenrechts in Geschichte und Gegenwart referierte. Dazu zählen neben frühchristlichen Quellen wie den Apostolischen Konstitutionen und den griechischen Kanones der Kirchenväter insbesondere anerkannte einheimische Rechtssammlungen des koptischen Kirchenrechts, die thematisch (ab dem 12. Jhdt.) und chronologisch (ab dem 14. Jhdt.) geordnet sind. Vor allem aber vielfältige Rechtssammlungen in arabischer Sprache (ab dem frühen 11. Jhdt.) spielen eine wichtige Rolle. Insgesamt konnte so ein spannender Einblick in die vielgestaltigen koptischen Rechtsquellen und ihre inhaltlichen Schwerpunkte geboten werden, die bis in die Gegenwart von erheblicher Bedeutung für diese Kirche sind.

Dr. Marksteiner-Mishchenko, Vertreter der Professur für Kirchenrecht Erfurt, schloss mit seinem Vortrag Die Initiationssakramente: parallele und divergente Entwicklung der Rechtsquellen in Ost und West an. Er stellte anhand der Initiationssakramente der Taufe, Eucharistie und Firmung die unterschiedlichen Rechtstraditionen innerhalb der lateinischen Kirche und der katholischen Ostkirchen dar. So spielen die Quellen der ersten Jahrhunderte, z.B. die sieben Ökumenischen Konzilien oder regionale Synoden, für die Ostkirchen noch eine viel bedeutendere Rolle als in der lateinischen. Besonders deutlich wurde, dass die alten Quellen nichts Vergangenes sind, sondern dazu dienen, die heutige Praxis, wie beispielhaft dargestellt in der chronologischen Reihenfolge der Spendung der Initiationssakramente, zu verstehen und gegebenenfalls zu hinterfragen.

Der letzte Vortrag von Prof. Dr. Schilberg, von der Ruhr-Universität Bochum und Juristischer Kirchenrat der Lippischen Landeskirche, widmete sich dem Thema Grundlagen und neuere Entwicklungen der Rechtsquellen und Rechtssetzung im Evangelischen Kirchenrecht. Er hatte die schwierige Aufgabe, die komplexe rechtliche Struktur der protestantischen Landeskirche(n) darzustellen. Insbesondere die Kirchenverfassungen auf Ebene der Landeskirchen regeln die grundsätzlichen kirchlichen Angelegenheiten. Durch auf Synoden beschlossene Kirchengesetze, gesetzesvertretende Verordnungen, Satzungen etc. wurden schließlich konkrete rechtliche Belange in den protestantischen Kirchen präsentiert. Es ist deutlich geworden, dass jene Rechtsquellen in den aktuell stattfindenden Transformationsprozessen der evangelischen Kirchen wieder eine wichtige Rolle spielen.

Besonderer Dank gilt den drei Referenten und den Teilnehmenden für die hervorragenden Vorträge und die engagierte Diskussion. Dadurch konnte der Workshop einen interessanten Einblick in die unterschiedlichen kirchlichen Rechtstraditionen bieten und zusätzlich einen wichtigen ökumenischen Beitrag auf dem Gebiet des kirchlichen Rechts leisten.

Pascal Peil