Workshop "Partikularrecht widerspricht Universalrecht"

Über den am 29. und 30. Januar 2021 abgehaltenen Workshop "Partikularrecht widerspricht Universalrecht. Ernstfall für die Dezentralisierung im Kirchenrecht".

Am 29. und 30. Januar 2021 veranstaltete der Lehrstuhl von Prof. Dr. Dr. Berkmann einen Workshop zum Thema "Partikularrecht widerspricht Universalrecht. Ernstfall für die Dezentralisierung im Kirchenrecht". Vier Referenten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz waren eingeladen, zu diesem Thema aus der Sicht ihres jeweiligen Landes bzw. aus europäischer Sicht zu referieren. Einige Studenten des kanonischen Rechts hatten sich im Vorfeld bereits im Rahmen eines Seminars intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt. Darüber hinaus stieß die Veranstaltung auch bei zahlreichen weiteren Studenten unserer Fakultät auf großes Interesse.

Aufgrund der Pandemiesituation musste der Workshop diesmal per Videokonferenz stattfinden. So sehr wir die fehlende Möglichkeit bedauerten, sich mit den Referenten im persönlichen Dialog vor Ort austauschen zu können, durften wir im Gegenzug jedoch einen erfreulich großen Teilnehmerkreis begrüßen, dem eine persönliche Präsenz in München eventuell nicht in diesem Umfang möglich gewesen wäre. Auf diese Weise zeigte sich, dass ein digitales Format neben den unvermeidbaren Desideraten doch auch einige Vorteile zu bieten vermag.

Nach einer prägnanten Einführung in die Thematik durch Prof. Dr. Dr. Berkmann durften wir als ersten Referenten den Tübinger Kanonisten Prof. Dr. Bernhard Sven Anuth begrüßen. Als Fachmann für die Situation in der Bundesrepublik stellte er uns diese anhand der vier exemplarisch ausgewählten Problemkreise "Nichtpriester im Priesterrat", "Laienhomilie", "Meldepflicht bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch" und "Gemeinsame und geteilte (Gemeinde-)Leitung" dar. Angesichts dieser Themenauswahl war der anschließende Diskussionsbedarf erwartungsgemäß groß, wobei auch die nach wie vor kanonistisch nicht leicht einzuordnende Rolle der in immer mehr Diözesen eingesetzten Amtschefs (bzw. -chefinnen) ausführlich thematisiert wurde.

Der Absolvent unseres Instituts und mittlerweile Inhaber des kirchenrechtlichen Lehrstuhls an der Universität Wien, Prof. Dr. Dr. Andreas Kowatsch, lenkte sodann die Perspektive auf Österreich. Dabei zeigte er uns diverse Punkte in Konkordatsrecht, Normen der ÖBK und ausgewählten teilkirchlichen Rechtsvorschriften auf, von denen grundlegende verfassungsrechtliche Fragen bezüglich der Kompetenzen diözesaner Gremien, der Status der ständigen Diakone, das Firmalter sowie das Benefizialwesen hier nur beispielhaft aufgeführt werden können. Unterstützt durch seinen Assistenten Fr. Daniel Tibi OSB erfolgte weiters eine akribische Analyse der rechtlichen Grundlagen für die Arbeit der pfarrlichen Räte in allen österreichischen Diözesen. Der abschließende Blick auf noch ungeklärte Fragen, beispielsweise Dispenspraktiken, Gewohnheitsrecht und Privilegien, leitete wiederum zu einer intensiven fachlichen Diskussion über.

Mit Prof. Dr. Andreas Müller, LL.M. (Yale), von der Universität Innsbruck durften wir zum Ausklang des Nachmittags einen ausgewiesenen und international geschätzten Experten für das Europarecht begrüßen. Dass europarechtliche Fragen auch bezüglich des Themas unseres Workshops zunehmend breiteren Stellenwert einnehmen, hatte sich bereits in den vorangegangenen Vorträgen und nicht zuletzt in der Einführung von Professor Berkmann gezeigt, der das Verhältnis von europäischen und nationalen Rechtsnormen als Analogie für die Situation in der Kirche beizog. Insofern stellten Professor Müllers kenntnisreiche Ausführungen, beispielsweise zum Subsidiaritätsprinzip und zum "margin of appreciation", hier eine hervorragende fachliche Grundlage dar, um diese Rechtsinstitute auch im kirchlichen Raum noch fundierter diskutieren zu können.

Fast schon zur guten Tradition bei den Workshops unseres Lehrstuhls gehört auch ein Blick in die Schweiz. So durften wir am Samstag Vormittag als letzten Referenten den Luzerner Kanonisten und Co-Direktor des dortigen Zentrums für Religionsverfassungsrecht Prof. Dr. Adrian Loretan begrüßen. Da sich die staatskirchenrechtlichen Strukturen in der Schweiz doch sehr deutlich von denen in Deutschland und Österreich unterscheiden, führte Professor Loretan zunächst ausführlich in diese ein, was allen Teilnehmern bereits einen erheblichen Erkenntnisgewinn verschafft haben dürfte. Sodann zeigte er die Besonderheiten des schweizerischen Partikularrechts exemplarisch anhand von vermögens- und personalrechtlichen Fragen sowie der Laienpredigt auf. Dass vor allem letzteres Thema noch einmal viel Stoff für eine kontroverse Diskussion lieferte, wird kaum überraschen.

Nach dieser gelungenen Veranstaltung gilt unser Dank an erster Stelle natürlich den Referenten für ihre inhaltlich fruchtbaren und erkenntnisreichen Vorträge, aber auch unseren Studenten für die zahlreiche Teilnahme und engagierte Beteiligung an den Diskussionen. Nicht unerwähnt bleiben soll schließlich unser Lehrstuhlteam, dem für die diversen organisatorischen Aufgaben im Vorfeld und Nachgang ebenso Dank gebührt.

Fr. Augustinus