Workshop "Das Recht und die Religionen: Trennendes oder sie verbindendes Element?"

Über den Workshop "Das Recht und die Religionen: Trennendes oder sie verbindendes Element?" vom 12.05.2023.

Im Rahmen der von Herrn Prof. Dr. Dr. Burkhard Berkmann vom 11.-13. Mai 2023 als Blockveranstaltung gehaltenen Spezialvorlesung "Vergleichendes Recht der Religionen" fand am Freitag, den 12. Mai an der LMU ein interdisziplinärer Workshop zum Thema: „Das Recht und die Religionen: Trennendes oder sie verbindendes Element?“ statt. Insgesamt knapp 50 Teilnehmende hatten sich hierzu vor Ort eingefunden oder digital via Zoom zugeschaltet.

v.l.n.r.: Prof. Dr. Christian Walter, Dr. des. Sophia Schmitt, Dr. Rocio Daga-Portillo und Prof. Dr. Dr. Burkhard Berkmann

Nach der Begrüßung durch den Veranstalter des Workshops, Prof. Dr. Dr. Berkmann, führte dieser kurz in das Thema des Workshops ein. Recht habe die Aufgabe, stabile Verhältnisse zu schaffen und diene so insbesondere der Bewahrung des Friedens. Rechtsordnungen seien dabei keine in sich geschlossene Systeme, sondern treten notwendig in Kontakt mit ihrer Umwelt und anderen Rechtssystemen. Dies treffe auch auf das Recht der Religionsgemeinschaften zu. Daher sei die Frage äußerst wichtig: Kommt dem Recht hier eine trennende oder eine verbindende Funktion zu? Dient das religiöse Recht der Bewahrung des Friedens?

Mit dieser Fragestellung befassten sich nun die drei Referierenden, die alle an der LMU unter anderem auf dem Gebiet von Recht und Religion forschen, jedoch in verschiedenen Fakultäten und aus der Perspektive unterschiedlicher Disziplinen.

Dr. des. Sophia Schmitt gab mit ihrem Vortrag „Gemeinsam oder getrennt? Rechtsräume von Juden und Christen im Mittelalter“ einen Impuls aus der jüdischen Perspektive. Nach einem Überblick über die jüdischen Rechtsquellen widmete sie sich der jüdischen Rechtspraxis im Mittelalter (in Deutschland), die zum einen vor der Herausforderung stand, dass es keine gesetzgebende Instanz mehr gab, sich die Umstände der Lebenspraxis aber sehr geändert hatten und die zum anderen vor der Frage stand, wie sie sich die jüdische Gemeinde als religiöse Minderheit verhalten solle. Gerade auch, weil es eine starke Dominanz des christlichen Rechtsraums gab, war man innerhalb des Judentums sehr darum bemüht, dass Rechtsstreitigkeiten, in denen beide Parteien jüdisch waren, vor den jüdischen Gerichten behandelt wurden. Hierin lasse sich ein Versuch erkennen, die Rechtsräume zu trennen. Gleichzeitig galt bezüglich bestimmter Materien (bspw. in wirtschaftlichen Angelegenheiten) allerdings auch der Grundsatz „das Gesetz des Landes ist Gesetz“. Anhand zweier Fallstudien verdeutlichte sie daraufhin den Kontakt zur außerjüdischen Rechtsordnung. Insgesamt zeigen sich einerseits das Wissen um den nichtjüdischen Rechtsraum und die Akzeptanz desselben, andererseits aber eben auch verschiedenste Bemühungen um Selbstständigkeit. So hielt die Referentin fest: Recht ist konzeptionell als trennendes Element gedacht. Zur Autonomie gehöre jedoch auch, über das Umfeld Bescheid zu wissen. Es könne daher keine vollständige Abtrennung von religiösem Recht geben.

Dr. Rocio Daga-Portillo beleuchtete das Thema „Der Status von Nicht-Muslimen im Islamischen Recht: Geschichte und Gegenwart“. Stark betonte sie dabei, dass es im Islam grundsätzlich keine Abneigung gegenüber Christen und Juden gebe – anders gestalte sich dies gegenüber Nichtgläubigen und Religionen, die nicht zu den Buchreligionen gehören. So komme Juden und Christen im islamischen Recht ein besonderer Status, der sogenannte „Dhimma“-Status zu. Dieser bewirke, dass sie zwar nicht die gleichen Rechte wie Muslime haben, wohl aber geduldet und in gewissem Maße geschützt werden. Anhand einiger Beispiele wie Religionsausübung, Erbschaftsrechte und Frauenrechte veranschaulichte die Referentin diesen besonderen Status. Anhand eines aktuellen Falles im Kontext der Adoption zeigte sie, dass sich sehr wohl auch wohlwollene Veränderungen im Hinblick auf den Rechtsstatus von Christen oder Juden abzeichnen. Insgesamt müsse man jedoch festhalten, dass im islamischen Recht nicht von einer Religionsfreiheit, sondern mehr von einer Gewissensfreiheit gesprochen werden könne. Nicht-Muslime haben im islamischen Recht einen geminderten Status, wobei Juden und Christen als „Schutzbefohlene“ (dhimmi) eine gewisse Anerkennung erfahren, Atheisten jedoch nicht anerkannt werden. Das Recht könne aus islamischer Perspektive daher als etwas Trennendes verstanden werden, da es Identität gibt. Gleichzeitig gewähre es allerdings Schutz und sei daher nicht nur ein abgekapseltes System, sondern stelle durchaus auch ein verbindendes Element dar.

Prof. Dr. Christian Walter sprach aus juristischer Sicht über „Gegenwärtige Herausforderungen religiösen Rechts für das staatliche Recht“. Nach einer Grundlegung, in der er die Elemente des religiösen Rechts erläuterte und eine Systematisierung desselben vornahm, ging Walter auf die Rolle des Staates ein. Dieser habe das Gewaltmonopol, könne aber religiöses Recht dulden (teilweise sogar dulden müssen), anordnen und auch verbieten (müssen). So ergeben sich unterschiedliche Formen des Umgangs mit religiösem Recht, die der Referent anhand dreier Beispiele näher erläuterte: Konfessionelle Ehehindernisse, Verhältnis innerkirchlicher Organisationsfragen zum staatlichen Recht und Individualarbeitsrecht von Religionsgemeinschaften. Diese Beispiele zeigen, dass es nicht die eine Antwort gibt, wie der Staat mit religiösem Recht umzugehen hat. Ihm komme als Letztentscheidungsträger die Aufgabe zu, zwischen Religionsfreiheit und dem Selbstbestimmungsrecht der Religionen eine Balance zu schaffen. Wichtig sei es dabei, auf die konkrete Situation der Religion im Land zu schauen. Da es die zentrale Aufgabe des Staates sei, das friedliche Zusammenleben in der Gesellschaft zu sichern und zu fördern, müsse der Staat die Religion als öffentlich-sozialen Faktor wahrnehmen und anhand der konkreten gesellschaftlichen Umstände prüfen, welches Modell der Zusammenarbeit mit Religion er zur Verwirklichung seiner Aufgabe anwendet.

In seinem Schlusswort resümierte Prof. Dr. Dr. Berkmann, die Vorträge hätten in Bezug auf die Ausgangsfrage gezeigt, dass religiöses Recht insofern ambivalent sei, dass immer beide Elemente (sowohl das trennende, als auch das verbindende) zu sehen seien. Deutlich wurde an diesem Nachmittag jedoch auf alle Fälle das verbindende Element zwischen den Disziplinen an der LMU. Auf diese Weise biete die Universität einen Boden für die Auseinandersetzung mit diesem Thema und könne so vielleicht auch in die Gesellschaft hineinstrahlen.

Lukas Brechtel