NomoK@non Fachkolloquium "Konkordate unter Druck durch Europarecht"

Über das erste NomoK@non Fachkolloquium am 15. Juli 2024 zum Thema "Konkordate unter Druck durch Europarecht".

Am 15. Juli 2024 fand in den Räumen der Ludwig-Maximilians-Universität in München das erste Fachkolloquium der Internetzeitschrift NomoK@non statt. Das Thema lautete „Konkordate unter Druck durch Europarecht“. Ca. 50 Personen, darunter namhafte Leitungsverantwortliche aus Kirche und Politik, nahmen in Präsenz oder online teil.

Prof. Burkhard Josef Berkmann hielt die Einführung und skizzierte das Thema des Abends. Weltweit haben 64 Staaten Konkordate mit dem Apostolischen Stuhl abgeschlossen, davon 16 Staaten in der Europäischen Union. Das Europarecht wirkt auf das Staatskirchenrecht bzw. staatliche Religionsrecht ein, in Deutschland z.B. auf das kirchliche Arbeitsrecht. Konkordate sind völkerrechtliche Verträge. Doch auch das Europarecht ist Völkerrecht und steht damit auf derselben Stufe wie die Konkordate. Was hat bei einem Konflikt nun Vorrang? Dass es sich dabei nicht allein um theoretische Gedankenspiele handelt, zeigte Prof. Berkmann anhand von vier Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) bzw. des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).

Univ.-Prof. Kirsten Schmalenbach von der Paris Lodron-Universität Salzburg machte in ihrem Beitrag deutlich, dass Vorrechte und Privilegien einer Körperschaft im Völkerrecht etwas völlig Normales sind und nichts, was nur der Kirche zukommen würde. Zuerst gilt es, Normkonflikte zwischen einem Konkordatsvertrag und anderen völkerrechtlichen Verträgen zu vermeiden. Das kann gelingen, wenn die möglicherweise konfligierenden Normen so ausgelegt werden, dass sie miteinander harmonisiert werden können. Kann ein Normenkonflikt nicht vermieden werden, dann werden sog. Konfliktlösungsregeln anwendet. Nach Art. 351 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) werden so genannte „Altverträge“ nicht berührt, das sind völkerrechtliche Verträge die von Mitgliedstaaten vor der Gründung bzw. vor dem jeweiligen Beitritt geschlossen wurden. Zugleich sind die Mitgliedstaaten aber gehalten, Unvereinbarkeiten zu beheben. Unvereinbarkeiten treten immer wieder durch Gerichtsurteile zu Tage, wie Prof. Schmalenbach an den Beispielen Lombardi Vallauri vs. Italien (20.10.2009) des EGMR und einer Vorabentscheidung des EuGH in Bezug auf die Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania (27.06.2017) verdeutlichte. Allerdings sei Art. 351 AEUV allenfalls „analog“ auf Konkordate anzuwenden, die mit dem Heiligen Stuhl geschlossen werden.

Der Leiter des Katholischen Büros Bayern, Dr. Matthias Belafi, thematisierte in seinem Vortrag die Spannung zwischen den Anforderungen an kirchliches Personal in Art. 13 des bayerischen Konkordats (BayK) und der Antidiskriminierungsgesetzgebung der EU. Art. 13 § 3 BayK ermöglicht im Einverständnis von Staat und Kirche von den Vorgaben des Konkordats abzuweichen. So verzichtet seit 1941 das Land Bayern auf Eingaben bei der Besetzung von Pfarrstellen. Seit 1974 wird vom Erfordernis der deutschen Staatsangehörigkeit für Pfarrer, insbeondere in der Ausländerseelsorge abgesehen. 1968 wurden die Bekenntnisschulen durch Gemeinschaftsschulen ersetzt. Die katholische Kirche hat sich dafür im Gegenzug durch die sogenannten Konkordatslehrstühle Rechte bei der Besetzung von Lehrstühlen im erziehungswissenschaftlichen Bereich gesichert. 2009 wurde gegen die Besetzung eines Konkordatslehrstuhls Beschwerde bei der EU-Kommission eingelegt. Bayern verwies in seiner Stellungnahme darauf, dass die Antidiskriminierungsrichtlinie der EU erst 1999 in Kraft trat und damit nach der Anpassung des Konkordats von 1974. 2013 erklärte die Freisinger Bischofskonferenz auf die Ausübung der bischöflichen Rechte bei der Besetzung von Konkordatslehrstühlen zu verzichten. Der Apostolische Stuhl hielt dagegen, dass die Bischöfe nicht Vertragspartner des Konkordats sind und es daher nicht ändern können. Trotzdem werden die Konkordatslehrstühle seit 2013 ohne Konkordatsbindung ausgeschrieben und die bayerischen Bischöfe haben sich jeder Mitwirkung enthalten. Formal hat sich das Recht zwar nicht geändert, aber in der Praxis wird es nicht mehr angewendet, um so weitere Konflikte zu vermeiden.

In der anschließenden Diskussion verwies Prof. Schmalenbach darauf, dass sich der EuGH bisher weder zu Art. 351 noch zu Art. 17 AEUV eingehend geäußert habe. Vielmehr versuche er in allen Bereichen die Interpretations- und Entscheidungshoheit zu behalten. Das Bundesverfassungsgericht sei demgegenüber kritisch eingestellt, da es an verfassungsrechtlichen Kernprinzipien festhält, die durch EU-Recht nicht angetastet werden können. Hier hat es schon in der Vergangenheit Konflikte gegeben und es könne durchaus auch in Zukunft zu weiteren Konflikten kommen.

Dr. Belafi hob hervor, dass der EuGH die Antidiskriminierungsgesetzgebung der EU auch auf Kosten von Art. 17 AEUV durchsetze, der den Status schützen soll, den die Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in den Mitgliedstaaten haben. Dies widerspreche dem Willen der Staaten, die Art. 17 ganz bewusst in den AEUV eingefügt haben.

Zum Abschluss dankte Prof. Berkmann den beiden Referenten und seinem Lehrstuhlteam. Er verwies auf den Aufruf der Zeitschrift NomoK@non bis zum 30. November 2024 Beiträge zum Thema Konkordate einzureichen, welche in einer eigenen Sonderausgabe veröffentlicht werden sollen. Das nächste NomoK@non Fachkolloquium wird am 22. November 2024 stattfinden zum Thema „Kirchenrecht interkulturell“.

Diego Lopez Jansa