Interreligiöses Symposium 2023

Über das interreligiöse Symposium vom 4. Mai 2023 zum Thema „Interreligiöse Bildung in der Schule. Von konkreten Praktiken, Potenzialen und Herausforderungen“.

Auch in diesem Jahr fand wieder das jährliche Symposium im Zusammenhang mit der Theologie des interreligiösen Dialoges an der Katholisch-Theologischen Fakultät der LMU in München mit ca. 50 Teilnehmenden statt. Am Donnerstag, den 4. Mai 2023 luden die Lehrstühle für Fundamentaltheologie, Kirchenrecht (insbesondere für Theologische Grundlegung des Kirchenrechts), Religionspädagogik/Didaktik des Religionsunterrichts und Sozialethik der LMU zusammen mit der Eugen-Biser-Stiftung und in Verbindung mit dem Haus der Kulturen und Religionen in München, den Freunden Abrahams sowie dem Seniorenstudium der LMU zu Vorträgen und Austausch zum Thema „Interreligiöse Bildung in der Schule. Von konkreten Praktiken, Potenzialen und Herausforderungen“ ein. Organisiert wurde das Symposium dieses Jahr von Herrn Prof. Dr. Dr. Burkhard Josef Berkmann.

v.l.n.r. Burkhard Josef Berkmann, Tanja Mancinelli, Stefan Zinsmeister, Mirjam Schambeck sf, Markus Vogt und Tarek Badawia.

„Erinnern Sie sich daran, wo Sie zum ersten Mal Kontakt zu Angehörigen anderer Religionen hatten?“ Mit dieser Frage eröffnete Prof. Dr. Dr. Berkmann das Symposium und führte so unmittelbar in das Thema des Nachmittags hinein: Die Schule als Ort des interreligiösen Lernens. In der Schule spiegelt sich die religiöse Vielfalt wider, in der Schule lernt man den Umgang mit ihr. Wie kann also schulische Bildung auf dem Gebiet des interreligiösen Dialogs gelingen?
Stefan Zinsmeister, Vorsitzender des Vorstands der Eugen-Biser-Stiftung, verwies in seiner Einführung auf die Berührungspunkte des Themas mit der Eugen-Biser-Stiftung und auf die Möglichkeit, auf der Homepage derselben interreligiöse Handreichungen für die Praxis zu erhalten.

Prof Dr. Micha Brumlik, dem die Aufgabe zukam, das Thema aus der jüdischen Perspektive zu betrachten, beschäftigte sich in seinem Vortrag vor allem mit der grundsätzlichen Frage des Verhältnisses von Religion und Gesetz im Judentum. Gerade im Hinblick darauf, dass das Judentum oftmals als „Gesetzesreligion“ bezeichnet wird, sei es wichtig, zwischen Weisung („Tora“) und Gesetz zu unterscheiden. Gott fordert die Menschen auf, moralisch zu handeln und gibt dazu gleichsam einen Rahmen vor. Die Religion soll den Menschen dabei helfen und sie darin fördern, dies in ihrem Leben umzusetzen – gerade auch im schulischen Kontext.

Prof. Dr. Tarek Badawia, der aus der islamischen Perspektive berichtete, machte sich für eine reflexive Haltung stark und betonte zu Beginn seines Vortrags, dass interreligiöse Begegnungen zwar einerseits ihren Charme haben, andererseits aber eben auch Irritationen auslösen können. Bedeutet interreligiöser Dialog, dass Wahrheiten relativiert werden? Badawia betonte hier den Unterschied zwischen Wahrheit und Gewissheit und zeigte am Beispiel des Islam, dass es nicht „den“ Islam gebe, sondern stattdessen „meinen“ Islam und den „anderen“ Islam. Religiöse Bildung soll hier die Kompetenz stärken, mit Religion umzugehen. Das geschieht vor allem durch ein „in Beziehung setzen“, in dem ein Lernender seinen Glauben zu dem in Beziehung setzt, was ihm begegnet. Zentral bei diesem Lernprozess ist die Authentizität, die der Andere mitbringt. Eine solche interreligiöse Kompetenz hat gerade darin auch ihren Wert, dass sie sich als Mittel gegen Extremismus erweist. Für die Praxis interreligiöser Bildung an der Schule ist dafür wichtig, dass das Thema Raum bekommt und dass die Lehrenden in ihrer Ausbildung anhand von Fällen lernen, wie sie mit Anfragen an den interreligiösen Dialog umgehen können.

Prof. Dr. Mirjam Schambeck sf brachte mit ihrem Vortrag eine christliche Perspektive in das Symposium ein und beschäftigte sich vor allem mit der Frage der Integration von geflüchteten Jugendlichen/jungen Erwachsenen. Nachdem der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund mittlerweile bei schon über einem Drittel liegt, ist die Frage danach, ob Religion ein Integrationsfaktor oder doch eher ein Integrationshindernis ist, auch für den schulischen Kontext sehr wichtig. Schambeck beobachtet dabei verschiedene Typologien bei jungen Erwachsenen mit Fluchterfahrung. Manche erfahren in der Religion so bspw. etwas wie ein „Exils-Wir“, andere begrüßen die Privatisierung der Religion und wieder Andere empfinden in der Religion ein „Wir“ im Gegenüber zur Aufnahmegesellschaft. Die Schule ist nach Ansicht Schambecks ein hervorragendes Lernfeld für interreligiöse Bildung. Die Referentin betont zugleich aber, dass der Theorie-Praxis-Abstand größer ist, als vermutet. Aufgabe der Universität ist es, dafür zu sorgen, dass die Studierenden später in der Schule kompetent damit umgehen können. Zu beachten ist, dass gemischte religiöse Gruppen alleine noch nicht garantieren, dass interreligiöse Lernprozesse auch tatsächlich in Gang gesetzt werden. Zuletzt betonte Schambeck, dass Integration nicht nur Sprachbefähigung sei und dass es eine vernunftbasierte Auseinandersetzung mit Religionsfragen braucht.

Moderiert von Prof. Dr. Thomas Schärtl-Trendel gab es zum Abschluss des Symposiums eine kurze Diskussion zwischen Prof. Dr. Badawia und Prof. Dr. Schambeck und die von den Teilnehmern rege genutzte Möglichkeit, Fragen an die beiden Referierenden zu stellen. Prof. Dr. Markus Vogt, der Initiator dieser jährlichen Veranstaltungen, schloss das Symposium mit seinem Resümee ab, in dem er einige Impulse zum Weiterdenken gab.

Lukas Brechtel