NomoK@non Fachkolloqium "Kirchenrecht Interkulturell"

Am 22. November 2024 fand, veranstaltet und moderiert von Herrn Prof. Berkmann an der LMU München, ein Fachkolloqium mit zwei Referenten zum Thema "Kirchenrecht Interkulturell" statt.

Am 22.11.2024 fand das zweite NomoK@non-Fachkolloquium zum Thema „Kirchenrecht Interkulturell“ statt. Die ca. 40 Teilnehmer waren entweder in Präsenz im Vorlesungssaal im Hauptgebäude der LMU oder online per Zoom zum Kolloquium zugeschaltet.

In seiner Einleitung stellte Prof. Dr. Burkhard Josef Berkmann heraus, dass das universale Recht der katholischen Kirche in Rom geschaffen und ihm daher oft ein westlich-kultureller Hintergrund unterstellt wird. In Wirklichkeit hat das römisch-katholische Kirchenrecht aber vielfältige Wurzeln: römische und germanische, ebenso wie Sonderrecht aus den früheren Missionsgebieten. Die kulturelle Vorstellung von der Institution „Ehe“ ist je nach Ort und Zeit sehr verschieden, es gilt jedoch in allen katholischen Teilkirchen weltweit das gleiche kirchliche Eherecht. Das Kirchenrecht steht immer in Wechselbeziehung mit der jeweiligen Kultur und Geschichte eines Volkes und kann, sofern es nicht das göttliche Recht betrifft, angepasst werden, z.B. durch Konkordate oder Partikulargesetzgebung. Im Zuge der Inkulturation des Christentums, welche sowohl auf dem II. Vaticanum als auch aktuell auf der römischen Bischofssynode zur Synodalität gefordert wurde, muss das Recht den Gegebenheiten der jeweiligen Kultur angepasst werden. Thema des Fachkolloquiums war es, den Divergenzen und Konvergenzen des Kirchenrechts im Gefüge der Kulturen nachzuspüren.

Den ersten Impulsvortrag hielt Prof. Dr. Matthias Pulte von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Der Titel seines Vortrages war: „Es geht mehr mit dem Kirchenrecht als man meinen möchte! Impulse aus der missionsrechtlichen Tradition für die Kirche von heute.“ Anhand verschiedener Beispiele zeigte Prof. Pulte auf, dass sich aktuelle innerkirchliche Diskussionen bereits seit Jahrhunderten im kirchlichen Missionsrecht wiederfinden. Heute wird immer wieder die Gemeindeleitung durch Laien gefordert. Bereits 1626 erließ die damalige Kongregation zur Verbreitung des Glaubens ein Dekret, welches es Laien in Japan erlaubte, in einfacher Form die Taufe zu spenden, wobei die feierliche Form der Taufe weiterhin den Priestern vorbehalten blieb. 1669 folgte ein Dekret, welches es Laien erlaubte, als Katechisten in der Glaubensunterweisung und in der Liturgie mitzuwirken. 1899 erließ das Plenarkonzil von Lateinamerika ein Dekret, durch welches die Laiendienste des Katecheten und des Vermögensverwalters eingeführt wurden. Auch die Plenarkonzilien von Baltimore von 1829 und 1886 und das Plenarkonzil von Indien 1924 erlaubten die Beteiligung von Laien an der kirchlichen Vermögensverwaltung. Diese Beispiele zeigen, dass Laien immer wieder Dienste im Auftrag der Oberhirten wahrnahmen, es wurde ihnen jedoch nie die ganze Leitungsverantwortung für eine Gemeinde übertragen. Auch gab es kein Recht der Laien auf Beteiligung. Sie wurden meist vom zuständigen Bischof ausgewählt und nicht von den Gläubigen gewählt.

Als weiteres Beispiel für die Anpassungsfähigkeit des Kirchenrechts wählte Prof. Pulte die Dispens vom Zölibatsversprechen für Priester aus. Seit 1922 haben verheiratete anglikanische Pfarrer die Möglichkeit, bei einer Konversion zur katholischen Kirche eine Dispens vom Zölibatsversprechen zu erbitten und so als verheiratete katholische Priester zu wirken. Das II. Vaticanum ermöglichte dies auch protestantischen Pfarrern, welche konvertierten. In den katholisch-orientalischen Kirchen sind verheiratete Priester schon seit Jahrhunderten bekannt.

Prof. Pulte zog als Fazit seiner Überlegungen, dass das kirchliche Missionsrecht viele Beispiele von Rechtstraditionen enthält, die auch für zukünftige Überlegungen Vorbildfunktion haben können.

Der zweite Referent des Kolloquiums war Prof. Dr. Jean Olivier Nke Ongono von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Der Titel seines Vortrags war: „Die dritte Evangelisierung Afrikas – eine dauerhafte? Gegenwärtige Anzeichen und Auswirkungen der Kirche in Afrika auf die Weltkirche.“ In seinem Impuls stellte Prof. Ongono heraus, dass nur die erste Christianisierung Afrikas dem Christentum ermöglicht habe, Wurzeln in den afrikanischen Kulturen zu schlagen. Die zweite Missionierungswelle durch portugiesische Missionare im 15. und 16. Jh. und die dritte Missionierungswelle im Zuge der Kolonialisierung Afrikas im 19. Jh. seien jedoch größtenteils gescheitert, da sie Missionierung mit Kolonialisierung verbanden und gerade dadurch eine Inkulturation des Christentums verhinderten. Daher forderte Prof. Ongono neue Bemühungen zur Inkulturation, z.B. durch lokale Gesetzgebung. Dabei müsse die Bedeutung der Großfamilie beachtet werden, welche in Europa so heute kaum noch zu finden sei, in den afrikanischen Kulturen aber weiterhin einen zentralen Stellenwert habe. Auch sei die Polygamie in Afrika weiterhin ein Problem, welches eigener pastoraler Ansätze bedürfe. Dies werde in Europa jedoch kaum wahrgenommen, da Polygamie in den europäischen Kulturen heute keine Rolle mehr spiele.

Moderiert wurde die anschließende Diskussion von Prof. Dr. Burkhard Josef Berkmann, dem Herausgeber von NomoK@non. Prof. Pulte betonte die Wichtigkeit der Unterscheidung zwischen der Inkulturation des christlichen Glaubens und der Inkulturation des kanonischen Rechts. Das II. Vaticanum forderte dazu auf, in Afrika eigene kirchliche Hierarchien zu errichten, damit es kein Missionsrecht mehr brauche, sondern die afrikanischen Bischöfe durch partikulare Gesetzgebung auf lokale und kulturelle Gegebenheiten reagieren können. Doch die afrikanischen Bischöfe machen von dieser Möglichkeit so gut wie keinen Gebrauch. Prof. Ongono ergänzte, dass die afrikanischen Bischöfe viele pastorale Schreiben herausgeben, aber nicht so viele Gesetze im kanonischen Sinne. Er warnte zugleich davor, Inkulturation für einen Kulturkampf zu missbrauchen. Die Einheit der katholischen Kirche dürfe nie gefährdet werden und bei aller Divergenz im Partikularrecht müsse man darauf achten, dass sich keine Nationalkirchen bildeten.

Text und Bild: Diego Lopez Jansa

Mehr lesen über das Kolloqium "Kirchenrecht Interkulturell" - Artikel von Francesco Papagni