Gastvortrag von Prof. Dr. Chiara Minelli

anlässlich der "Sessio sollemnis" des Klaus-Mörsdorf-Studiums für Kanonistik am 6. Februar 2024

© Prof. Burkhard J. Berkmann

Am Dienstag, den 6. Februar 2024, fand die traditionelle Sessio sollemnis des Klaus-Mörsdorf-Studiums für Kanonistik (KMSK) als feierlicher Abschluss des Wintersemesters statt.

Prof. Dr. Dr. Elmar Güthoff, Dekan der Katholisch-theologischen Fakultät und Inhaber eines der drei Lehrstühle am KMSK, begrüßte alle Teilnehmenden, die entweder im Senatssaal der Ludwig-Maximilians-Universität in Präsenz oder online über ZOOM dabei waren. Nachdem er in einem kurzen Rückblick auf das vergangene Jahr die für das KMSK entscheidenden Ereignisse gewürdigt hatte, stellte er dem Auditorium die Referentin Prof. Dr. Chiara Minelli vor, die als ordentliche Professorin den Lehrstuhl für Kirchenrecht an der Universität Brescia innehat und zudem die momentane Präsidentin der Consociatio Internationalis Studio Iuris Canonici promovendo ist.

Prof. Minelli sprach anschließend zum rechtstheoretischen Thema „Proporzionalità e bilanciamento nel diritto canonico. Lo snodo della rationabilitas“ und führte die Zuhörenden in einem ersten Punkt in den Begriff der Proportionalität ein, wozu sie drei Beispieltexte aus dem 18. Jahrhundert heranzog.

Im zweiten Teil des Vortrags ging die Referentin besonders auf das Prinzip der Proportionalität ein und erklärte u.a. den Unterschied von Prinzipien und Regeln, wobei sie hervorhob, dass die Erfüllung von Prinzipien nicht statisch, sondern dynamisch erfolge. Deshalb sind Regelkonflikte anders zu lösen als Prinzipienkonflikte, da Letztere bspw. durch Organe wie Verfassungsgerichte behandelt werden. Als Beispiel dazu führte sie ein Urteil des italienischen Kassationsgerichts an, bei dem es darum ging, dass ein Lehrer das Kreuz im Klassenzimmer abgehängt hatte und dafür sanktioniert worden war, woran sie einen Konflikt zwischen einem Gesetz von 1924, das das Aufhängen von Kreuzen in Klassenzimmern vorschreibt, und der Lehr- und Gewissensfreiheit aufzeigte. Dabei sei – so das Gericht – eine wohlwollende Lösung zu finden, die die Rechte aller respektiere und das Kriterium der Angemessenheit berücksichtige, so dass zugefügte Nachteile in der rechten Proportion zu den zu erreichenden Zielen stehen müssen.

Im dritten Teil des Vortrags beschäftigte sich Prof. Minelli schließlich mit der Ratio und der Verbindung zwischen Proportionalität und Vernunft. Proportionalität kann nie für sich alleine betrachtet und verstanden werden, denn sie hängt von Gütern ab, die es zu fördern gilt. In der Kirche ist die salus animarum das oberste Prinzip. Daher dürfte es im Kirchenrecht eigentlich keine Kollisionen geben, weil alle Prinzipien (und Regeln) genau auf dieses Heil der Seelen ausgerichtet und darin vereint sein müssen.

Im Anschluss an den Vortrag bestand schließlich die Möglichkeit, in einer von Dr. Andrea Michl moderierten Diskussion Fragen an die Referentin zu stellen und das Gehörte gemeinsam zu reflektieren.

An ein kurzes Schlusswort von Prof. Güthoff, in dem er sich bei allen an der Organisation Beteiligten und besonders bei den Teilnehmenden bedankte, schloss sich die traditionell übliche „Brotzeit“ an, bei der Professorium, Mitarbeitende und Studierende des KMSK gemeinsam im Georgenhof den Gastvortrag wie auch das Wintersemester bei fachlichem wie persönlichem Austausch und bereichernden Gesprächen ausklingen lassen konnten.

Anna-Maria Bader