DFG-Projekt Memoria Apostolorum

Allgemeine Informationen

Zum christlichen Glauben gehörte auch in den ersten Generationen ein Moment der Erinnerung an die Ursprünge der eigenen Glaubensgemeinschaft, namentlich die Erinnerung an und das Nachdenken über Jesus von Nazareth.

Hierin liegen die Anfänge christlicher Theologie, die in einer eigenen Literatur ihren Niederschlag fand. Christinnen und Christen des 1.-3. Jahrhunderts erinnerten sich aber nicht nur an Jesus.

In der christlichen Literatur dieser Zeit, von den Paulusbriefen bis zu den apokryphen Apostelakten, richtet sich das Interesse immer wieder auf apostolische Gestalten, sei es als Erzählfiguren, sei es als pseudepigraphe Autoren.

Ziel dieses Projektes ist, die literarische Gestaltung bzw. Charakterisierung apostolischer Gestalten (Petrus, Paulus, Johannes, Thomas, Andreas, Philippus, Jakobus [Sohn des Zebedäus], Levi/Matthäus, Judas [Sohn des Alphäus], Judas Iskariot, Matthias, Jakobus [Herrenbruder], Maria Magdalena, Barnabas, Salome, Maria und Martha sowie die Zwölf als Gruppe) in erinnerungstheoretischen Kategorien zu verstehen.

Als theoretische Grundlage eignet sich das Konzept des „kulturellen Gedächtnisses“ im Ausgang von Arbeiten Jan Assmanns, sowie Pierre Noras Überlegungen zu den „lieux de mémoire“ als Verdichtungen des kollektiven bzw. kulturellen Erinnerns, mit denen die Gruppenidentität in der Gegenwart bekräftigt wird. „Erinnerung“ wird dabei als eine intentionale Bezugnahme auf die Vergangenheit verstanden, deren Gestalt durch Interessen und Anliegen der Gegenwart bestimmt ist:

Die Erinnerung an die Vergangenheit hat eine Gestalt, die für die Gegenwart sinnvoll ist. In diesem Sinn verdichtet sich in den Darstellungen von Aposteln das kulturelle Gedächtnis des frühen Christentums. Für die Zwecke dieses Projekts ist das Konzept des „kulturellen Gedächtnisses“ allerdings zu modifizieren, denn das Christentum des 1.-3. Jahrhunderts ist als eine Subkultur innerhalb der hellenistisch-römischen Welt zu sehen, und es musste sein Verhältnis zu dieser Mehrheitsgesellschaft jeweils aushandeln. Das Projekt trägt mithin produktiv zum kulturwissenschaftlichen Diskurs bei.

Als Quellen werden die christlichen Texte bis etwa zur Mitte des 3. Jahrhunderts bearbeitet, in denen von den o.g. apostolischen Gestalten die Rede ist. Ziel ist, im Querschnitt durch unterschiedliche Gattungen ein möglichst umfassendes Bild zu gewinnen, das neben dem Neuen Testament auch christliche Apokryphen, Apostolische Väter, Apologeten und Häresiologen einschließt, ferner auch die Texte "häretischer" Gruppen, die uns nur noch in Fragmenten bei späteren Autoren wie Eusebios und Epiphanios erhalten sind.

Dabei zeigen sich z.T. sehr unterschiedliche Profilierungen von prominenten Aposteln, z.B. Petrus oder Paulus. Diese Differenzen geben wiederum Einblick in die innere Pluralität des frühen Christentums.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das Projekt mit einem Heisenberg-Stipendium und einer Sachbeihilfe.

Kontakt

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter:

Adresse

Ludwig-Maximilians-Universität München
Katholisch-Theologische Fakultät
Geschwister-Scholl-Platz 1
80539 München
Raum C 122
stephan.witetschek@lmu.de
+49 89 2180-1438

Publikationen

  • Büchner, C.: „Martyrdom as Access. The Martyrdom of the Apostle Andrew as it is Presented in the Acts of Andrew“, in: Papers Presented at the Eighteenth International Conference on Patristic Studies Held in Oxford 2019. Volume 4: Remembering Apostles as Martyrs, hg. von M. Vinzent und S. Witetschek (= Studia Patristica 107). Leuven: Peeters, 2021, 41-54.
  • Kirchner, M.: „Erinnerte Apostel. Ein Werkstattbericht aus dem DFG-Projekt 'Memoria Apostolorum'“, in: MThZ 70 (2019), 173-175.
  • Kirchner, M.: „'The Greatest Example of Endurance'. Paul's Death in Early Christian Memory - The Case of 1Clem. 5:5-7“, in: Papers Presented at the Eighteenth International Conference on Patristic Studies Held in Oxford 2019. Volume 4: Remembering Apostles as Martyrs, hg. von M. Vinzent und S. Witetschek (= Studia Patristica 107). Leuven: Peeters, 2021, 27-40.
  • Kirchner, M.: „Metaleptisches Erzählen und kulturelles Gedächtnis in den Paulusakten“, in: NTS 68 (2022), 445-460.
  • Rösch, F.: „'Let us also go that we may die with him.' The Memory of the Martyrdom of Thomas the Twin“, in: Papers Presented at the Eighteenth International Conference on Patristic Studies Held in Oxford 2019. Volume 4: Remembering Apostles as Martyrs, hg. von M. Vinzent und S. Witetschek (= Studia Patristica 107). Leuven: Peeters, 2021, 55-76.
  • Witetschek, S.: „Sankt Paul in Ketten. Zur Paulus-Ikonographie in der Apostelgeschichte und im Corpus Paulinum“, in: Biblica 96 (2015), 245-272.
  • Witetschek, S. „Polycrates of Ephesus and the ‘Canonical John’“, in: Papers Presented at the Seventeenth International Conference on Patristic Studies Held in Oxford 2015. Volume 17: Biblica; Philosophica, Theologica, Ethica; Hagiographica, Ascetica, hg. von M. Vinzent (= Studia Patristica 91). Leuven: Peeters, 2017, 127-134.
  • Witetschek, S.: „Peter in Corinth? A Review of the Evidence in 1 Corinthians“, in: JThS.NS 69 (2018), 66-82.
  • Witetschek, S.: „Überflüssige Nebenrollen? Kleine Erzählfiguren in Markus 15“, in: Reading the Gospel of Mark in the Twenty-First Century. Method and Meaning, hg. von G. van Oyen (= BEThL 301). Leuven: Peeters, 2019, 821-846.
  • Witetschek, S.: „Wie kommt Nero ins Petrus-Martyrium? Das letzte Kapitel der Petrusakten im Kontext christlicher und römischer Nero-Erinnerung“, in: ZNW 112 (2021), 218-237.
  • Witetschek, S.: „Introduction“, in: Papers Presented at the Eighteenth International Conference on Patristic Studies Held in Oxford 2019. Volume 4: Remembering Apostles as Martyrs, hg. von M. Vinzent und S. Witetschek (= Studia Patristica 107). Leuven: Peeters, 2021, 1-9.
  • Witetschek, S.: „Peter the Martyr. Christian Memory Under Construction“, in: Papers Presented at the Eighteenth International Conference on Patristic Studies Held in Oxford 2019. Volume 4: Remembering Apostles as Martyrs, hg. von M. Vinzent und S. Witetschek (= Studia Patristica 107). Leuven: Peeters, 2021, 77-105.
  • Witetschek, S.: „Johannes, Märtyrer und Nicht-Märtyrer“, in: Papers Presented at the Eighteenth International Conference on Patristic Studies Held in Oxford 2019. Volume 4: Remembering Apostles as Martyrs, hg. von M. Vinzent und S. Witetschek (= Studia Patristica 107). Leuven: Peeters, 2021, 117-134.
  • Witetschek, S.: „Absturz und Knochenbruch. Mentalitätsgeschichtliches zu den Petrusakten und antikem Schadenszauber“, in: Antike Fluchtafeln und das Neue Testament. Materialität – Ritualpraxis - Texte, hg. von M. Hölscher, M. Lau, S. Luther (= WUNT 474). Tübingen: Mohr Siebeck, 2021, 297-308.
  • Witetschek, S.: „Die Frau des Petrus. Karriere einer Randfigur in der frühchristlichen Petrus-Memoria“, in: Peter in the Early Church. Apostle – Missionary – Church Leader, hg. von J. Lieu (= BEThL 325). Leuven: Peeters, 2021, 693-712.

Workshops

Ludwig-Maximilians-Universität München

11.02.2020 um 13:00 Uhr – 13.02.2020 um 12:00 Uhr

Im Rahmen des DFG-Projekts »Memoria Apostolorum« (Professur für Biblische Einleitung) fand vom 11. bis 13. Februar 2020 ein weiterer Workshop statt. Diese dritte Veranstaltung in der Workshop-Reihe des Projekts bot Anlass, sich mit der Charakterisierung der Apostel als Lernende und Lehrende auseinanderzusetzen. Neben den Mitgliedern des Projektsteams referierten internationale Gäste.

Am Abend des 12.02.2020 fand - über den Workshop hinaus - ein öffentlicher Abendvortrag von Prof. Dr. Peter Gemeinhardt (Universität Göttingen) mit dem Titel »Das Lehren des Glaubens in der Alten Kirche. Jesus Christus und sein Bodenpersonal« statt.

Referierende und ihre Vorträge

  • Dr. Markus Hafner »Der Sophist am Scheideweg - Perspektiven auf die kaiserzeitliche Bildungskultur und ihre Vermittler.«
  • Florian Rösch, M.A. (LMU München): »Im Dialog mit dem Herrn. Thomas, der lernwillige Jünger, in der frühchristlichen Literatur.«
  • Mag. Theol. Cedric Büchner (LMU München): »Vernetzte Erkenntnis. Frühchristliche Erinnerungen an den lernenden und lehrenden Apostel Andreas.«
  • Markus Kirchner (LMU München): »Der Apostel Paulus als Lernender und Lehrender.«
  • Dr. Katja Hess (KU Eichstätt-Ingolstadt): »Der lukanische Paulus: Lehrer und Lernender in der Kraft des Heiligen Geistes.« [Zusammenfassung]
  • PD Dr. Stephan Witetschek (LMU München): »Petrus - ein schlechter Schüler. Der Topos vom Jüngerunverständnis am Beispiel des Petrus.«
  • Prof. Dr. David L. Eastman (Chattanooga, USA): »The Pauline Teachings of Peter in the Apocryphal Acts.« Publiziert in Neotestamentica 55 (2021), 89-109.
  • Prof. Dr. Peter Gemeinhardt (Universität Göttingen): »Das Lehren des Glaubens in der Alten Kirche. Jesus Christus und sein Bodenpersonal.« Cf. den Beitrag in Vigiliae Christianae
  • PD Dr. Stephan Witetschek (LMU München): »Johannes, der Privatschüler.«
  • PD Dr. Stephan Witetschek (LMU München): »Auch eine Sukzession: Johannes und seine Schüler.«

International Conference on Patristic Studies Oxford

23.08.2019

Am 23.08.2019 fand im Rahmen der „International Conference on Patristic Studies“ in Oxford der zweite Workshop des DFG-Projektes „Memoria Apostolorum« statt. Das Thema dieses Workshops lautete „Apostel als Märtyrer“ (englischer Titel: »Apostles as Martyrs. What Sense Did it Make to Remember Apostles as Martyrs?“).

Im 3. Jahrhundert n. Chr. war es in der christlichen Literatur zur Norm geworden, sich an die Apostel zu erinnern, die ihr Ende durch das Martyrium fanden. Ziel des Workshops war, die Gründe und Zwecke, sowie die Mechanismen zu untersuchen, die bei der Gestaltung dieser besonderen Art von Erinnerung, dem Martyrium, zum Tragen kamen.

Der Workshop wurde in zwei Schritten durchgeführt: Die erste Sitzung diente dazu, die Erinnerung an Apostel als Märtyrer im allgemeinen intellektuellen Umfeld der christlichen Reflexion über das Martyrium im 2. und 3. Jahrhundert zu kontextualisieren. Hierzu referierte Dr. Elisabeth Schwab von der Universität zu Köln, und Prof. Dr. Paul Middleton von der University of Chester gab als Respondent eine erste Reaktion, welche die Diskussion eröffnete. (Ebenso war zu diesem Thema ein Vortrag von Prof. Dr. Katharina Waldner von der Universität Erfurt vorgesehen. Dieser Vortrag musste jedoch leider ausfallen.)

Die zweite Sitzung widmete sich Fallstudien zur Erinnerung an bestimmte apostolische Persönlichkeiten als Märtyrer, insbesondere an die Protagonisten der Apokryphen Apostelakten: Petrus, Paulus, Thomas und Andreas - und Johannes als die bemerkenswerte Ausnahme, um die Regel zu beweisen. Im Mittelpunkt steht nicht der historische Bezug, sondern die Entwicklung eines bestimmten Aspekts der »Memoria Apostolorum«. Hierzu referierten aus dem Projekt »Memoria Apostolorum«: Dr. Stephan Witetschek, Markus Kirchner, Florian Rösch, sowie Cedric Büchner. Auf die Kurzvorträge zu den einzelnen Apostelgestalten folgte als Respondent Prof. Dr. Joseph Verheyden von der Katholischen Universität Leuven.

Im Anschluss beteiligten sich viele Anwesende an einer angeregten Diskussion zu tiefergehenden (teilweise auch verbindenden) Fragen aus den einzelnen Kurzvorträgen.

Referierende und ihre Vorträge

  • Dr. Elisabeth Schwab - Universität zu Köln - Graduiertenkolleg »Dynamiken der Konventionalität (400–1550)« (nunmehr Universität Bonn)The Suffering Body. Christian Martyrdom and the Conventionality of Death in the 3rd Century AD
  • Respondent: Prof. Dr. Paul Middleton - University of Chester - Professor of New Testament and Early Christianity
  • PD Dr. Stephan Witetschek - LMU - DFG-Projekt »Memoria Apostolorum« Peter the Martyr. Christian Memory under Construction
  • Markus Kirchner - LMU - DFG-Projekt »Memoria Apostolorum« "The Greatest Example of Endurance" - Paul's Death in Early Christian Memory
  • Florian Rösch M.A. - LMU - DFG-Projekt »Memoria Apostolorum« "Let us also go, that we may die with him" - The Memory of the Martyrdom of Thomas the Twin
  • Mag. Theol. Cedric Büchner - LMU - DFG-Projekt »Memoria Apostolorum« The Martyrdom of Saint Andrew as it is presented in the Apocryphal Acts of Andrew
  • Respondent: Prof. Dr. Joseph Verheyden - KU Leuven (Belgien) - Professor of New Testament

Die Publikation des Workshops ist in der Reihe Studia Patristica erschienen.

Ludwig-Maximilians-Universität München

25.02.2019

Wenn die erzählenden Texte des Neuen Testaments von staunenswerten Begebenheiten handeln, die üblicherweise als "Wunder" bezeichnet werden, stellen sie nicht nur Jesus als Wundertäter vor. Bereits in den Evangelien versuchen sich die Anhänger Jesu an Heilungen und Exorzismen, und die Apostelgeschichte enthält mehrere Wundererzählungen von Petrus und von Paulus.

Das Erinnerungsbild von Aposteln als Wundertätern ist zwar in der christlichen Literatur des 2. Jahrhunderts nicht von überragendem Interesse, doch die apokryphen Apostelakten des 2./3. Jahrhunderts erzählen, neben Verkündigung und Martyrium, von eindrucksvollen Wundern, welche die Apostel Petrus, Paulus, Johannes, Thomas und Andreas bewirkt haben sollen. Von dort führt der Weg weiter zu Wundererzählungen in spätantiken und mittelalterlichen Heiligenviten.

Im Workshop ging es zunächst um Klärungen in der Hermeneutik von Wundererzählungen und um die literarischen Mechanismen, die zur Gestaltung von „larger-than-life characters“ führen. Ebenso wurden aber auch einzelne Fallbeispiele aus der Aktenliteratur erörtert.

Referierende und ihre Vorträge

  • Dr. Susanne Luther – Groningen (NL) – New Testament Studies. Welchen Sinn hat es, von Aposteln als Wundertätern zu erzählen? Ein Impuls aus dem Feld der Wunderhermeneutik
  • Prof. Dr. Andreas Schwab - LMU – Griechische und Lateinische Philologie Der Wunderbegriff in der griechischen Literatur. Ausgewählte Texte der archaischen und klassischen Periode
  • Prof. Dr. Knut Backhaus - LMU – Neutestamentl. Exegese und Bibl. Hermeneutik. Transformation des Heils. Die Jünger als Wundertäter in der Apostelgeschichte
  • Markus Kirchner - LMU – DFG-Projekt »Memoria Apostolorum« Paulus als Wundertäter in der frühchristlichen Erinnerung
  • PD Dr. Stephan Witetschek - LMU – DFG-Projekt »Memoria Apostolorum« Petrus und Johannes. Herren über Leben und Tod?
  • Cedric Büchner - LMU – DFG-Projekt »Memoria Apostolorum« Andreas als Wundertäter. Ausgewählte Textbeispiele aus den Acta Andreae
  • Florian Rösch - LMU – DFG-Projekt »Memoria Apostolorum« Gott-Knecht-Gemeindegründer. Die Wunder von Thomas, dem Zwilling