13 Nov

Gründungsveranstaltung des Münchener Zentrums für Nachhaltigkeit

Termin:

Mo.:
18:30 - 20:15 Uhr

13. November 2023

Ort:

LMU Hauptgebäude, Hörsaal A 214

Gründungsveranstaltung des MZN - Thema: „Akzeptanz von Klimapolitik“
Das Münchener Zentrum für Nachhaltigkeit (MZN) bündelt interdisziplinäre Forschung, Lehre und Wissenstransfer zu Nachhaltigkeit. Die Gründungsveranstaltung, zu der wir Sie herzlich einladen, steht unter dem ethisch-politischen Schlüsselthema „Akzeptanz von Klimapolitik“.

Trotz jahrzehntelanger Warnungen und immer besserer Prognosen, vor allem aber trotz der vielen katastrophalen Erscheinungen, leidet Klimaschutzpolitik unter einem Akzeptanzproblem. Die Mehrheit der Gesellschaft hat „den Schlag“ noch nicht gehört. Der Universität kommt als Ort der wissenschaftlichen Forschung und damit auch der Definition von Risiken eine ganz besondere Bedeutung zu. Denn wenn wir an den Universitäten und Hochschulen nicht ganz konkret dafür sorgen, Themen wie Klimaschutz, Erneuerbare Energien und damit Nachhaltigkeit in den Fokus zu rücken, dann verlieren wir die so dringend gebrauchte Glaubwürdigkeit. Um Klimapolitik akzeptabler zu machen, müssen alle öffentlich-rechtlichen Institutionen dafür sorgen, dass verstanden wird, worum es geht. Denn sinnvolles Handeln braucht Verständnis.

Zugleich ändern sich die konkreten Anforderungen an Klimapolitik dramatisch: Fossile CO2-Emissionen erreichten Rekordwerte. Gleichzeitig haben sich viele Staaten zu Treibhausgasneutralität verpflichtet – erreichbar nur, wenn aktiv CO2 aus der Atmosphäre entzogen wird. Nachhaltige Lösungen zu finden, die auf Dauer tragbar sind und ökologische, ökonomische, gesellschaftliche und politische Erwägungen gleichermaßen mit einbeziehen, erfordert eine neue Qualität von Dialog über Fachgrenzen hinweg sowie zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Eine klärende und integrierende Perspektive kann dabei der philosophische Blick auf die vielschichtigen Akzeptanz- und Gerechtigkeitskonflikte einer wirksamen Klimapolitik leisten.

Programm
18.30 Uhr Begrüßung (Prof. Markus Vogt)
18.35 Uhr Vorstellung des Münchener Zentrums für Nachhaltigkeit (Prof. Henrike Rau)
18.45 Uhr Die Glaubwürdigkeitslücke (Prof. Harald Lesch)
19.00 Uhr Nachhaltige Klimapolitik für Treibhausgasneutralität (Prof. Julia Pongratz)
19.15 Uhr Ein philosophischer Blick auf die Klimakonflikte (Prof. Julian Nida-Rümelin)
19.30 Uhr Diskussion
20.15 Uhr Get-together im Lichthof

Anmeldung bitte bis zum 03.11.2023 per Email an: Veranstaltungsanmeldung.MZN@lmu.de

Bitte beachten Sie, dass Sie sich unter dieser Adresse lediglich für die Veranstaltung "Akzeptanz von Klimapolitik" anmelden können und nur eine automatisierte Bestätigung erhalten. Für Fragen und Probleme jeder Art wenden Sie sich bitte an die Adresse unter Kontakt.

Das Apostolische Schreiben „Laudate Deum“: dringende Ermahnung zu einer Wende der Klimapolitik - ein Kommentar von Markus Vogt

Zum Beginn der Weltsynode, die sich ad intra mit der synodalen Struktur der Kirche beschäftigt, hat Papst Franziskus einen Akzent der Weltverantwortung aus dem Glauben gesetzt: Das Apostolische Schreiben Laudate Deum, das eine Fortschreibung der Umweltenzyklika Laudato si‘ darstellt. Der am 4. Oktober veröffentlichte Text mahnt eindringlich zu einer Beschleunigung der globalen Energiewende, um die katastrophalsten Auswirkungen des Klimawandels noch abzuwenden.

Das relativ kompakte, 73 Abschnitte auf vierzehn Seiten umfassende Schreiben speist sich im Wesentlichen aus drei Quellen, nämlich Klimawissenschaft, Laudato si‘ und Fratelli tutti. Dem entspricht die Argumentationsstruktur: 1. Hinschauen und Fakten wahrnehmen, 2. Urteilen im Licht des Paradigmas der integralen Ökologie, 3. Handeln zugunsten globaler Solidarität als Überlebensprogramm für die Menschheitsfamilie.

Zunächst wird ausführlich aus dem jüngsten Bericht des Weltklimarats (IPCC: Intergovernmental Panel on Climate Change) zitiert, um den Klimaleugnern, die sich auch in der katholischen Kirche finden (Nr. 14), den Wind aus den Segeln zu nehmen. Es ist durchaus bemerkenswert, dass Papst Franziskus nicht direkt theologisch ansetzt, sondern auf die Kraft der natur- und sozialwissenschaftlichen Vernunft vertraut. Prägnant stellt er die wichtigsten Fakten zusammen, benennt „Widerstand und Verwirrung“ (Nr. 6-10) sowie „die menschlichen Ursachen des Klimawandels“ (Nr. 11-14) und die schon heute sichtbaren und künftig zu erwartenden „Schäden und Risiken“ (Nr. 15-19). Der Papst zitiert den IPCC, demzufolge die Eisschilde Grönlands bei einem Anstieg der globalen Mitteltemperatur um 2°C vollständig schmelzen würden (Nr. 5). Dies hätte einen Anstieg des Meeresspiegels um mehrere Meter zur Folge. Angesichts solcher Szenarien einer Welt, die „zerbröckelt und vielleicht vor tiefen Einschnitten steht“ (Nr. 2), sei es eine Frage moralischer Pflicht sowie zugleich ökonomischer Vernunft, rasch zu handeln. Vor diesem Hintergrund kritisiert Papst Franziskus mehrfach die großen Wirtschaftsmächte, die nur den größtmöglichen, kurzfristigen und von fragmentierten Interessen dominierten Profit im Blick haben (Nr. 13 vgl. auch 20, 30, 32). Die Angst vor dem Verlust von Arbeitsplätzen sei kurzsichtig, da einerseits der Klimawandel bei Nichthandeln Millionen von Arbeitsplätzen zerstöre und auf der anderen Seite erneuerbare Energie eine Vielzahl neuer Arbeitsplatz ermögliche (Nr. 10). Die Verantwortung wird klar adressiert, da „ein kleiner Prozentsatz der Reichsten auf der Erde die Umwelt mehr verschmutzt als die ärmsten 50% der gesamten Weltbevölkerung“ (Nr. 9).

Man kann die Situationsdarstellung als wenig originelles, „geliehenes Wissen“ kritisieren, das lediglich bekannte Fakten der Klimaforschung rezipiert, kritisieren. Man muss aber anerkennen, dass dieses sehr prägnant in Bezug auf die ethisch relevanten Aspekte zusammengefasst wird und dass der eindringliche Aufruf zu einem starken Vertrauen in wissenschaftliche Vernunft für Papst Franziskus, der selbst eine naturwissenschaftliche Ausbildung als Chemiker durchlaufen hat, durchaus charakteristisch ist. Das Vertrauen in die Vernunft ist die vielleicht wichtigste implizite theologische Aussage des Textes. Der Papst richtet sich damit nicht nur an Gläubige, sondern „an alle Menschen guten Willens“ (so im Untertitel), wobei diese Adressierung ungenau ist, da er sich in besonderer Weise an die Klimaleugner und die Verweigerer von vernünftigem solidarischem Verhalten richtet.

Auch die Teile drei bis fünf (Nr. 34-60) haben einen „säkularen“ Duktus: Sie beschäftigen sich mit der „Schwäche der internationalen Politik“, den Fortschritten und Misserfolgen der Klimakonferenzen und den Erwartungen an die nächste Klimakonferenz im November/Dezember 2023 in Dubai (COP 28). Der Grund für diese umweltpolitische Ausrichtung des Textes ist die Überzeugung, dass individuelle Verantwortung und ein entsprechender Kulturwandel zwar Voraussetzungen der nötigen Transformation sind, dass es aber ganz wesentlich auf verbindliche politische Entscheidungen für eine Wende der Energie- und Klimapolitik ankommen wird (Nr. 69). Im Hintergrund steht wohl auch die positive Erfahrung, die Papst Franziskus 2015 mit der Veröffentlichung von Laudato si‘ im Vorfeld der Pariser COP 21 gemacht hat, da ihm hier ein nicht unwesentlicher Anteil an dem Durchbruch der Klimaverhandlungen zugeschrieben wird. Inhaltlich tritt Franziskus dafür ein, den Multilateralismus auf der Basis der Menschenrechte zu „refigurieren“ (Nr. 37), um ihn für die Herausforderungen einer zunehmend multipolaren und komplexen Welt zu rüsten (Nr. 42). Die Erwartungen des Papstes an Dubai sind hoch: „Diese Konferenz kann ein Wendepunkt sein“ (Nr. 54) und zu einer „historischen Konferenz“ (Nr. 59) werden. Eine resignative Haltung, der sich viele aufgrund der Blockaden in den letzten Jahren hingeben, könne man sich aufgrund der menschheitsgeschichtlichen Aufgabe nicht leisten. Zur „Krise der Hoffnung“ hat die siebenundzwanzigjährige deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer bei der Pressekonferenz zu Laudate Deum im Vatikan am 4. Oktober starke Worte gefunden (nachzuhören im Youtube-Kanal der Vatikannews).

Die spezifisch theologisch-ethische Argumentation stellt Papst Franziskus unter die Überschrift „Das wachsende technokratische Paradigma“ (Nr. 20-33). Damit greift er ein von Romano Guardini und Martin Heidegger geprägtes Grundmotiv auf, das bereits in Laudato si‘ sowie in Fratelli tutti eine zentrale Rolle spielt, aber hier nochmals neu akzentuiert wird. Er definiert dieses als Bestreben „die menschliche Macht über alles Vorstellbare hinaus zu steigern, für die die nichtmenschliche Wirklichkeit nur eine Ressource zu ihren Diensten ist“ (N. 22). Verknüpft wird das Paradigma mit Motiven des grenzenlosen Wachstums (Nr. 20), der Künstlichen Intelligenz (Nr. 21), der Nuklearenergie (Nr. 24 und 30), der Betrachtung der Welt nur von außen her (Nr. 25) sowie einem Fortschritt, der sich gegen sich selbst richtet (Nr. 28). „Der ethische Verfall der tatsächlichen Macht“ werde „durch Marketing und falsche Informationen verschleiert.“ (Nr. 29) Es fällt auf, dass der Text in dieser recht pauschalen Verurteilung der „falschen Propheten“ (Nr. 31) und der „perversen Logik“ (Nr. 32) eher mit Schlagworten arbeitet als mit einer differenzierten Bewertung. Eine positive Darstellung, was der Papst als Gegenmodell vorschlägt, findet sich nur knapp im Abschluss des ersten Abschnitts (Nr. 18f.: „eine erweiterte Sicht der Dinge“ […] „Verantwortung für das Erbe, das wir am Ende unseres Erdendaseins hinterlassen werden“ […] „Alles ist miteinander verbunden“ und „keiner rettet sich allein.“) sowie im Schlussteil unter der Überschrift „Geistliche Beweggründe“ (Nr. 61-73). Er fasst dieses Gegenprogramm zum technokratischen Paradigma unter dem Leitgedanken der Demut und integralen Ökologie zusammen: „Machen wir also Schluss mit der Vorstellung eines autonomen, allmächtigen, unbegrenzten Menschen und überdenken wir uns selbst, um uns auf eine demütigere und umfassendere Weise zu verstehen.“ (Nr. 68). Hier hätte man von dem Apostolischen Schreiben mehr erwarten können als die Aneinanderreihung von Stichworten, die dem Anspruch einer differenzierten Bewertung von Technik und Ökonomie kaum gerecht wird.

Im theologischen Teil setzt Papst Franziskus mit einem interreligiösen Akzent an: „Ich ermutige die Brüder und Schwestern anderer Religionen, dasselbe zu tun, denn wir wissen, dass echter Glaube nicht nur das menschlich Herz stärkt, sondern das ganze Leben verwandelt, die eigenen Ziele verändert und die Beziehung zu den anderen wie auch die Verbindung mit der ganzen Schöpfung in ein neues Licht taucht.“ (Nr. 61). Der Papst bezieht dabei ausdrücklich indigene Traditionen etwas idealisierend als Vorbilder in den Dialog mit ein: „Deshalb ist eine gesunde Umwelt auch das Ergebnis der Interaktion zwischen Mensch und Umwelt, wie es in den indigenen Kulturen der Fall ist und wie dies über Jahrhunderte in verschiedenen Regionen der Erde geschehen ist.“ (Nr. 27) Ausführlich wird Laudato si‘ zitiert, z.B. mit der Maxime, „die empfindlichen Gleichgewichte unter den Geschöpfen auf dieser Welt“ zu respektieren (Nr. 62) und „die Schönheit zu achten“ (Nr. 64) sowie die „Mystik in einem Blütenblatt“ wahrzunehmen (Nr. 65). Der Titel „Lobt Gott“, der in gelungener Weise denjenigen von Laudato si‘ variiert, wird auf das Lob für alle Geschöpfe bezogen und mit einem biblischen Einstieg zu den Lilien des Feldes und den Spatzen, die Gott nicht vergisst, veranschaulicht (Nr. 1).

Zur kontrovers geführten Debatte um den Anthropozentrismus führt Franziskus den Begriff „situierter Anthropozentrismus“ (Nr. 67), der die Interaktion der natürlichen und sozialen Systeme im Blick hat (Nr. 27), neu ein. Dies könnte sich in der vielschichtig umstrittenen Debatte als eine wegweisende Kompromissformel erweisen. Im Schlusssatz gibt er der Anthropologie eine auf die Gottesbeziehung gerichtete Wende: „Denn der Mensch, der sich anmaßt, sich an die Stelle Gottes zu setzen, wird zur schlimmsten Gefahr für sich selbst.“ (Nr. 73) Man könnte das Programm von Franziskus mit Jacques Maritain als theozentrischen Humanismus charakterisieren, den er dahingehend situiert, dass sich Gottesbeziehung und die gleichberechtigte Anerkennung der Mitgeschöpfe wie Gottes- und Nächstenliebe wechselseitig konkretisieren und vertiefen.

Trotz der zu pauschalen Technikkritik ist Laudato Deum aus meiner Sicht ein Text, der genau zur richtigen Zeit kommt und der aufrütteln kann gegen die Trägheit, in der die gegenwärtige Weltgesellschaft verharrt: Wie „Zukunftsatheisten“ (Peter Sloterdijk) wissen wir über die dramatischen Folgen des Klimawandels Bescheid und sind doch im Bann des Zerfalls der politischen Vernunft zu sehr mit individuellen und nationalen Egoismen beschäftigt, um uns zu einem wirksamen Klimaschutz aufzuraffen. Papst Franziskus ist einmal mehr zu einer führenden Stimme des ökologischen und sozialen Gewissens geworden. Der Text trägt dazu bei, dass aus der 2015 veröffentlichten Enzyklika Laudato si‘, die weit über den Rahmen der Katholischen Kirche hinaus auch in den anderen Konfessionen und Religionen sowie in den Wissenschaften einen intensiven Widerhall fand und findet, eine weltweite religiös inspirierte Umweltbewegung entsteht bzw. gestärkt wird. Ob sich dafür der Titel Laudato si‘ movement, Christians For Future oder Religions For Future etablieren wird, ist zweitrangig.